Der Beitrag beleuchtet den aktuellen Stand der Künstlichen Intelligenz (KI) jenseits des medialen Hypes und untersucht ihre tatsächliche Relevanz für Gesellschaft und Wirtschaft. Auf Grundlage eines Vortrags von Tech-Analyst Philipp Klöckner werden der Reifegrad, mögliche Limitierungen und die globale Verteilung der KI-Forschung diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit gilt der generativen KI und ihrer Leistungsfähigkeit in Bereichen wie Programmierung, Text- und Sprachverarbeitung. Gleichzeitig werden kritische Aspekte wie Energiebedarf, Datenverfügbarkeit und gesellschaftliche Folgen, Auswirkungen oder Konsequenzen thematisiert.
Im heutigen Beitrag wenden wir uns etwas von der direkten Anwendung im Bauwesen ab und betrachten den aktuellen Stand der Künstlichen Intelligenz (KI) in unserer Gesellschaft. Als Grundlage dient der aktuelle Videobeitrag von OMR mit dem Titel „Beyond the AI Hype: Wo wir wirklich stehen und was uns erwartet“.[1] Der Vortragende in diesem Video ist der Tech-Analyst Philipp Klöckner.
Zu hohe Erwartungen an KI?
Zur Einführung befassen wir uns mit der Akzeptanz und dem Reifegrad verschiedener KI-Technologien. Der Einsatz von KI in Unternehmen wird zunehmend kritisch hinterfragt. Seit 2021 steigen die Erwartungen an Künstliche Intelligenz stetig, doch in den kommenden Jahren nähert sich die Technologie dem sogenannten „Tal der Enttäuschung“, einer Phase, in der sich zeigt, ob die Erwartungen womöglich zu hoch waren. Erst nach dem Durchschreiten dieses Tals werden KI-Technologien in Unternehmen wirklich produktiv eingesetzt. Dieser Reifegradverlauf lässt sich jährlich im Gartner Hype Cycle beobachten.[2] Eine dieser
KI-Technologien ist beispielsweise die generative KI. Sie konzentriert sich darauf, neue Inhalte wie Texte, Bilder oder Audio zu erzeugen. Ein bekanntes Beispiel ist ChatGPT. Das zugrunde liegende KI-Modell (konkret die GPT-Modellreihe) erzeugt in diesem Fall unter anderem menschenähnliche Texte.
Herausforderungen in der KI-Entwicklung
Eines steht jedoch fest: Künstliche Intelligenz entwickelt sich weiterhin rasant und wird stetig leistungsfähiger. Doch was könnte diese Entwicklung künftig einschränken? Zunächst ist zu beachten, dass sowohl das Training als auch der Betrieb von
KI-Modellen äußerst energieintensiv ist. Wenn KI umfassend eingesetzt werden soll, müssen die dafür nötigen Rechenzentren zuverlässig mit Strom versorgt werden. Doch woher soll diese Energie kommen? Sind Atomkraftwerke die Lösung oder werden sich bald neue, nachhaltigere Formen der Energieerzeugung im großen Maßstab durchsetzen? Ein weiterer limitierender Faktor in der KI-Entwicklung sind die verfügbaren Daten. Wer über große Mengen hochwertiger Daten verfügt, kann sich eine monopolartige Stellung sichern. Andere Herausforderungen wie leistungsfähige Rechenchips oder effiziente Algorithmen dürften hingegen weniger kritisch sein. Vielmehr könnte es passieren, dass uns geeignete Trainingsdaten für KI-Anwendungen ausgehen. Es sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass große Tech-Konzerne bereits heute vermehrt Daten über Nutzeraktivitäten auf ihren Plattformen sammeln und für das Training ihrer KI-Modelle einsetzen. Auf diesen Aspekt wird jedoch vorerst nicht näher eingegangen.
Stärken und Schwächen moderner
KI-Systeme
Fest steht auch, dass Künstliche Intelligenz uns in allen Bereichen übertreffen wird (oder bereits übertrifft), die messbar sind und auf lernbaren Daten basieren. In Aufgaben wie
- Bildklassifikation,
- Textverständnis,
- Sprachverständns und
- Mathematik
ist KI dem Menschen bereits überlegen. Nur das sogenannte multimodale Verstehen und Schlussfolgern gelingt dem Menschen aktuell noch besser. Multimodal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Eingabe nicht nur über einen einzigen „Modus“ erfolgt. Die KI erhält also nicht nur Text, um eine Aufgabe zu lösen, sondern zusätzlich auch Bilder, Grafiken oder Tabellen. Diese unterschiedlichen Modalitäten im verknüpfend zu erfassen und daraus sinnvolle Schlüsse zu ziehen, gelingt derzeit noch besser dem Menschen.
Intelligenzvergleich: Mensch vs. KI im GPQA-Test
Dennoch verfügen alle großen KI-Modelle auf dem Markt, etwa GPT-4o, LLaMA 3, o3 usw., über einen IQ von deutlich über 120 und sind damit klar intelligenter als der Durchschnittsmensch mit einem IQ von etwa 100. Das gilt zumindest im Kontext des sogenannten GPQA-Benchmarks. Ein Benchmark bewertet die Leistungsfähigkeit eines Systems in einer bestimmten Disziplin. GPQA ist ein anspruchsvoller Datensatz mit 448 Multiple-Choice-Fragen, die von Fachexpertinnen und -experten aus den Bereichen Biologie, Physik und Chemie erstellt wurden und speziell auf KI-Modelle abzielen. [3] Die Schwierigkeit dieser Fragen veranschaulicht Abbildung 1.
Selbst Menschen mit einem Doktortitel in diesem Fachbereich können viele der Fragen nicht so gut beantworten wie eine KI. Das liegt unter anderem daran, dass moderne KI-Modelle mittlerweile sogenanntes „Reasoning“ (Schlussfolgern) beherrschen. Mit dieser Fähigkeit analysieren sie Aufgaben strukturierter und „denken“ gewissermaßen länger über die Lösung nach. Das führt in vielen Fällen zu präziseren Ergebnissen. In ChatGPT ist diese Fähigkeit beispielsweise in der Funktion „Deep Research“ erkennbar.
Globale KI-Entwicklung: Europa im Rückstand?
Wo findet KI-Forschung heute überwiegend statt? Derzeit stammen die meisten großen und konkurrenzfähigen „State-of-the-Art“-KI-Modelle aus den USA und China. In Europa, insbesondere in Deutschland, existieren bislang keine Modelle, die wirklich mit der internationalen Spitze mithalten können. Die französischen Modelle des Unternehmens Mistral gelten aktuell als die einzigen vielversprechenden Entwicklungen „Made in Europe“. Laut Klöckner sei es jedoch nicht zwingend notwendig, eigene Modelle im eigenen Land zu entwickeln. Er geht davon aus, dass leistungsfähige KI-Modelle künftig ohnehin kostenlos oder sehr günstig verfügbar sein werden, also als Open-Source-Lösungen.
Modellwahl und Wettbewerb im KI-Markt
Auch die Entscheidung, welches KI-Modell oder welche Firma die „beste“ ist, lässt sich kaum objektiv treffen. Sollte man lieber mit den Modellen von OpenAI arbeiten? Oder eher mit denen von Meta oder Google? Es werden laufend neue Modelle veröffentlicht, die in der Regel leistungsfähiger sind als ihre Vorgänger. Der Wettbewerb ist dynamisch, ein ständiges hin und her. Letztlich wird entscheidend sein, wer das bessere Marketing betreibt und welche Modelle sich im Alltag durchsetzen. Ähnlich wie bei der Wahl des eigenen Autos („Ich fahre lieber Audi!“) könnte künftig gelten: „Ich arbeite lieber mit ChatGPT!“. Alles Weitere wird die Zeit zeigen.
KI in Unternehmen: Einsatzbereiche und erste Auswirkungen
Die private Nutzung von KI schreitet langsamer voran als der Einsatz von KI in Unternehmen. Jedes Jahr werden immer mehr Anwendungsfälle von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen implementiert. Generative KI kommt dabei vor allem in drei Bereichen zum Einsatz:
- Programmierung
- Kundensupport
- Datenmanagement
Im Bereich der Programmierung habe ich bereits eigene Erfahrungen gesammelt. KI kann erstaunlich gut programmieren. So konnte ich mit Hilfe von ChatGPT und ohne eigene Programmierkenntnisse, eine einfache Web-App entwickeln, die PDF-Dateien analysiert (über die Stabilität und Robustheit der App lässt sich allerdings streiten). Selbst erfahrene Softwareentwickler nutzen mittlerweile täglich Tools wie Microsoft Copilot als Unterstützung beim Programmieren. Programme, die wir täglich verwenden, enthalten heute bereits zu einem gewissen Teil KI-generierten Code. Erstmals ist zu beobachten, dass die Gehälter von Programmierern tendenziell sinken, möglicherweise ein erster spürbarer Effekt des KI-Einsatzes in diesem Bereich.
Private Nutzung von KI und
Alltagsintegration
Für private Nutzer hält Künstliche Intelligenz zunehmend Einzug in den Alltag. So hat Meta, das Mutterunternehmen von WhatsApp, mittlerweile ein eigenes KI-Modell fest in seinen Messenger integriert, um direkte Interaktionen mit der KI zu ermöglichen. Auf datenschutzrechtliche Aspekte und Fragen der Privatsphäre wird dabei jedoch nicht näher eingegangen. Den Nutzern bleibt letztlich nichts anderes übrig, als den Angaben des Unternehmens zu vertrauen. Im nächsten Schritt wollen KI-Unternehmen ihre Produkte gezielt an private Nutzer verteilen (Distribution). Apple plant beispielsweise, künftig KI-Assistenten in all seinen Endgeräten bereitzustellen. Dabei entwickelt Apple keine eigenen KI-Modelle, sondern integriert Modelle anderer Unternehmen, etwa von OpenAI oder Google. Um diese Modelle auf seinen Geräten einsetzen zu dürfen, wird Apple von den jeweiligen Modell-Anbietern wohl erhebliche Geldsummen verlangen. Interessant ist auch: KI wird inzwischen tatsächlich von nahezu jedem genutzt. Das Problem ist jedoch, dass vielen gar nicht bewusst ist, wo und in welchem Umfang KI bereits eingesetzt wird. Das liegt möglicherweise an der unscharfen Definition von „Künstlicher Intelligenz“ und einem fehlenden Bewusstsein für ihre alltägliche Präsenz in Software und Anwendungen.
Energieverbrauch als kritischer Faktor für KI-Betrieb
Wenn wir KI nutzen, handelt es sich in der Regel um Modelle, die von großen Tech-Konzernen wie Google, Meta oder Microsoft entwickelt wurden. In den vorangegangenen Abschnitten wurde bereits erwähnt, dass sowohl das Training als auch der Betrieb moderner KI-Modelle sehr viel Energie erfordert. Einige dieser Unternehmen verbrauchen gemeinsam mehr Terawattstunden Strom als ganze Staaten. Eine generative KI, die Text erzeugt, benötigt etwa zehnmal so viel Rechenleistung wie eine herkömmliche Google-Suche. Soll die KI ein Bild generieren, ist sogar das 50-Fache an Rechenleistung erforderlich. Bei der Generierung von Videos steigt der Bedarf auf das 10.000-Fache im Vergleich zu einer einfachen GoogleSuchanfrage. Noch nicht berücksichtigt ist dabei die Generierung ganzer 3D-Spielewelten, etwa für Videospiele, die noch deutlich energieintensiver sein dürfte. Die Konsequenz dieses hohen Rechenaufwands sind massive Kosten, da enorme Mengen an Energie verbraucht werden. Der Betrieb solcher KI-Modelle erfolgt in firmeneigenen Rechenzentren der großen KI-Unternehmen. Bereits heute zeigt sich, dass Regionen in den USA, in denen solche Rechenzentren angesiedelt sind, vermehrt unter Stromausfällen leiden. Gleichzeitig wird erwartet, dass der Energiebedarf dieser Zentren in Zukunft weiter stark ansteigen wird. Damit stellt sich die zentrale Frage: Wie soll diese Energie künftig erzeugt werden? Die Antwort darauf ist jedoch nicht Gegenstand dieses Artikels.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die zukünftige Entwicklung von KI-Anwendungen nicht zuverlässig vorhersagen lässt. Künstliche Intelligenz zieht nicht langsam, aber sicher in unseren Alltag ein, vielmehr wird sie künftig immer schneller und scheinbar ganz selbstverständlich präsent sein. In den meisten Fällen nehmen wir diese Entwicklung nicht einmal bewusst wahr. Doch was kann dabei schiefgehen? Künstliche Intelligenz wird zweifellos viele positive Effekte auf die Menschheit und (ihre Umwelt?) haben. Gleichzeitig birgt sie jedoch auch Risiken und Gefahren. Letztlich ist es nicht die Technologie selbst, die Schaden anrichtet, sondern der Mensch, der sie nutzt. Oder?
Was passiert, wenn diese Technologie beginnt, eigenständig zu handeln, ohne menschliche Kontrolle oder Aufsicht?
[1] OMR: Beyond the AI hype: Wo wir wirklich stehen und was uns erwartet. In: https://www.youtube.com/watch?v=siPbEeXc54g&t=60s (letzter Zugriff: 19.05.2025).
[2] Gartner: Explore Beyond GenAI on the 2024 Hype Cycle for Artificial Intelligence. In: https://www.gartner.com/en/articles/hype-cycle-for-artificial-intelligence (letzter Zugriff: 19.05.2025).
[3] Rein, David und andere: GPQA: A Graduate-Level Google-Proof Q&A Benchmark. In: https://arxiv.org/abs/2311.12022 (letzter Zugriff: 19.05.2025).
Markus Nussbaum Die Bauherrenhilfe stellt allen Mitgliedern und Partnern einen „KI-Beauftragten“ zur Seite! Markus Nussbaum hat die HTL für Hochbau sowie Bauingenieurwesen studiert und bereits eine jahrelange Berufserfahrung hinter sich gebracht. Er ist zudem zertifizierter KI-Manager. Kontakt: m.nussbaum@bauherrenhilfe.org |