GEPRÜFTE BAUSTELLEN IM JAHR
     

„Recht hat, wer Recht bekommt.“ Und wer bekommt Recht?“ Leider spielen hier auch menschliche und zwischenmenschliche Umstände eine Rolle. Recht bekommt meist derjenige, der schon im Vorfeld am besten auf eine mögliche Auseinandersetzung vorbereitet ist. Und „Wer schreibt – der bleibt“ ist am Bau eine alte Binsenweisheit. Für den VERBRAUCHER wie auch für den UNTERNEHMER gilt gleichermaßen:

  • Verträge sind immer Willensübereinkünfte BEIDER Parteien

SCHRIFTLICHKEIT

Ergo sollten niemals Verträge unterfertigt werden, welche unverständlich formuliert,  oder nicht verstanden werden. Eine Woche später zu unterschreiben, um sich noch vertiefend zu informieren, wird Ihnen weniger Schaden zufügen, als in Eile und Unkenntnis für Sie nachteilige Vereinbarungen zu akzeptieren. Formal ist es auch zulässig mit Kugelschreiber bei Vertragsunterzeichnung noch eine Zusatzformulierung in gerade noch leserlicher Handschrift hinzuzufügen. Natürlich vor Unterschrift sämtlicher Vertragsparteien und nach allseitigem Einverständnis. Auch ein Sideletter auf dem man sicherheitshalber formuliert was genau man mit dem Vertrag bezweckt, ist zulässig, wenn man diesen im Hauptvertrag als vertragsgegenständlich erklärt. Rein theoretisch wären auch Formulierungen auf Klopapier geschrieben nicht unzulässig.

  • Verträge sind „Schlechtwetterbedingungen“, nicht für Schönwetter gemacht

FACHCHINESISCH

Der „technicus terminus“ ist auch für Fachleute oft schwer zu verstehen. Was ein „Patentsaumstreifen“, eine „Drillbewehrung“, ein „Schalungsanker“ oder eine „Aufbrennsperre“ ist, hinterlässt oft auch bei Bauleuten ein Kopfschütteln. Der Verbraucher aber unterschreibt unkritisch unverständliche Angebote! Analog dazu normative Begrifflichkeiten. Was in einer Norm als „regensicher“ bezeichnet wird, versteht sich in der anderen als „regendicht“. Und der Preisunterschied zwischen „regensicher“ nun „erhöht regensicher“ ist beträchtlich. Und überhaupt, muss mein Unterdach „erhöht regensicher“ sein, oder genügt „regensicher, ist ersteres wirklich „wasserdicht“? Damit gilt auch hier für beide Seiten, also für den VERBRAUCHER wie für den UNTERNEHMER: Was im Dunklen liegt muss beleuchtet werden. Sind Normen, und damit die diesbezüglich durchaus oft kritisch zu bewertenden Inhalte überhaupt automatisch geschuldet?

NORMEN UND RICHTLINIEN VERTRAGLICH VEREINBAREN?

Unserer Erfahrung nach sind Normen zwar nicht zwingend geschuldet, aber es wird im Streitfall danach beurteilt. Ein Sachverständiger wird im Regelfall das tun, was er nicht sollte. Streng nach Normen beurteilen. Normen sind einem ständigen Wandel unterworfen und werden nicht immer von neutral-sachverständigen Personen geschrieben. Auch im Baubereich soll es so etwas wie Lobbyisten geben und in Normenausschüssen sitzen nicht immer nur Sachverständige. Und gar nicht so selten, wird eine Norm kurze Zeit nach Erscheinen wieder umgeschrieben. Die dann „neue Norm“ hat sich in der Praxis nicht bewährt oder man kam zu dem Schluss, dass man es doch besser anders macht. Ein Sachverständiger sollte ihnen auch abseits normativer Anforderungen mitteilen können, was fachlich einwandfrei ist und was nicht. Der VERBRAUCHER wird dennoch gut beraten sein, fachspezifische Normen und Herstellerrichtlinien zu vereinbaren. Der UNTERNEHMER wird sich aber gut überlegen, ob er sein Werk normgerecht anbietet oder nicht. Zwischen Unternehmern ist die jeweilige Norm nicht automatisch geschuldet, aber auch hier wird im Streitfall danach beurteilt werden. Ausgenommen es wurden Normen explizit ausgeschlossen. Dann wäre die Beurteilung nach „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ der nächste Schritt:

ALLGEMEIN ANERKANNTE REGELN DER TECHNIK

Unter den a.a.R.d.T. versteht man technische Regeln, welche aus Wissenschaft oder Erfahrung auf technischem Gebiet gewonnene Grundsätze enthalten, und deren Praxistauglichkeit als erwiesen anzusehen ist. Zu ihnen gehört also was in der Wissenschaft als richtig erkannt wurde, in weiten Kreisen der Techniker bekannt und als richtig anerkannt ist. Was also in der Praxis auch allgemein angewendet wird. (Anerkannte) Regeln der Technik basieren auf einem breiten Konsens der Fachleute und werden vor allem durch Normen (ÖNORM, EN, ISO) widergespiegelt.

NACHTEIL: Im Streitfall sind die a.a.R.d.T zu ermitteln, nötigenfalls in Umfragen oder aus einschlägiger Literatur heraus. Praktisch wird schon vermutlich deswegen nach geltenden Normen und Richtlinien bewertet.  Der wesentliche Vorteil, wenn die Parteien die Ausführung gemäß den einschlägigen technischen NORMEN vereinbaren, liegt darin, dass der Inhalt dieser Normen eindeutig zu ermitteln ist. Ein Blick in die NORM genügt. Umgekehrt kann eine Norm die tatsächliche technische Entwicklung bereits versäumt haben.

 

DER STAND DER TECHNIK

Offenbar gilt aber für alle in diesem Schreiben genannten Begriffe die „Unschuldsvermutung“, es handelt sich vermutlich um nicht näher definierte und unbestimmte Rechtsbegriffe, zu denen jeweils unterschiedliche höchstgerichtliche Entscheidungen zu finden sind. Eine interessante Formulierung für „Den Stand der Technik findet man im Patenrecht:

Der „SdT“ bildet alles, was der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benützung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.“(§3 Abs 1 PatG)

Was soviel bedeutet wie: Den Stand der Technik repräsentieren Normen und natürlich auch Richtlinien von Herstellern oder anerkannten Institutionen. Aber im Gegensatz zu den a.a.R.d.T. ist der SdT noch nicht zwingend in der Praxis bewährt. (…) Jetzt darf hinterfragt werden, warum Normen vor „bewährter Praxis“ zu stellen sind. Diesen Erkenntnissen nach, sind Normen, welche sich in der Praxis bewährt haben, beziehungsweise deren technische Vorgaben, Bestandteil der a.a.R.d.T.!

 

STAND VON WISSENSCHAFT UND TECHNIK!

Genau, da war ja noch etwas! Der Stand von Wissenschaft und Technik repräsentiert praktisch das aktuelle Wissen ohne Rücksicht auf das liebe Geld. Das betrifft die Bautechnik aber im Regelfall nicht, am Bau wird auf Wirtschaftlichkeit Rücksicht zu nehmen sein. Es wird nicht gebaut was maximal möglich ist, sondern was wirtschaftlich vertretbar ist. Immer wieder versuchen Häuslbauer Baudetails zu optimieren, Sie möchten keine technischen Abstriche machen. Dann wäre der SvWuT zu vereinbaren, eine Baufirma werden Sie dann aber nicht finden, weil vermutlich niemanden klar ist was im Baubereich den technischen Zenit darstellt. Aber wozu auch einen Keller konstruieren werde 4000 Jahre überdauert und dazu noch dicht bleibt? Wo der SvWuT allenfalls doch im Baubereich angewandt wird, sind Konstruktionsdetails zu Bauwerken mit besonderer Risikoklasse, beispielsweise im Hochhausbau, im Bereich der Fundamente.

DRUM PRÜFE WER SONST NACH DEM HAUSBAU VERSCHWINDET

Und weil alles gar nicht so klar ist, empfehlen sich für den VERBRAUCHER vertragliche Formulierungen wie:

„…Beauftragt werden die angebotenen Leistungen, die Errichtung eines Einfamilienhauses (Anbot „Baufirma Superbau“, 24.12.2020) plus Beilage 1 „Sonderausstattung und Bemusterungsliste“ (vom 26.12.2020) inkl. Nebenleistungen welche zur Erfüllung des „Werks“ (Errichtung eines Einfamilienhauses nach Vorgaben der Einreichplanung (Planstand 1.4.2021 und des Energieausweises, Stand 1.3.2021) sowie entlang der Ausführungsplanung (Planstand 5.4.2021) nötig sind. Vereinbart ist die Ausführung entlang baurechtlicher Vorschriften, Normen und Herstellerrichtlinien sowie nach „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ zum Pauschalpreis in Höhe 320.000 inklusive 20% Umsatzsteuer.“

Natürlich sollte vor einer Beauftragung ein Anwalt eine individuelle Prüfung der Vertraglichkeiten und ein Sachverständiger die bautechnischen Grundlagen prüfen. Vor einer Einreichplanung empfiehlt sich ebenfalls ein Check durch einen Bauprofi. Rund 70% der Einreichpläne werden schon fehlerhaft eingereicht! Am Ende sollte ein Baubeginn, ein verbindliches Fertigstellungsdatum und ein Zahlungsplan vereinbart werden. Schriftlich, versteht sich.

ÖNORM B2110 – FALLE ODER CHANCE?

Die ÖNORM B 2110 (Praktisch das Gegenstück zur deutschen VOB) enthält allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen und Leistungen der Haustechnik. Sie muss vereinbart werden. Die ÖNORM B 2110 wird von der Rechtsprechung wie allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt. AGB unterliegen der Geltungs-und Inhaltskontrolle der §§ 864 a und 879 ABGB. Was soviel bedeutet wie: Wenn ein Vertrag geltenden Schutzgesetzen widerspricht oder gegen die guten Sitten verstößt, ist dieser als nichtig zu bewerten. Zwischen Unternehmern ist diese Norm oft vereinbart, aber auch der UNTERNEHMER tut gut daran, diese Norm genau zu kennen. Es können natürlich auch einzelne Bestandteile der Norm vereinbart werden. Der VERBRAUCHER kann mit dieser Norm nur überfordert sein, von einer vorbehaltslosen Vereinbarung dieser Norm ist abzuraten. Vorteil: Wenn die ÖNORM B 2110 vereinbart wird, werden auch alle sachlich in Betracht kommenden technischen Normen Vertragsinhalt.

SCHLUSSENDLICH WAS?

VERBRAUCHER – Der Verbraucher ist weitgehend durch das KSchG (Konsumentenschutzgesetz) geschützt, dieses soll das Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Unternehmer ausgleichen helfen. Für den Verbraucher besonders nachteilige Klauseln und Vertragsbestandteile, die nach allgemeinem Privatrecht, also etwa zwischen zwei Unternehmern, oder auch unter Privatleuten unter Umständen durchaus vereinbart werden können, in Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern generell für unzulässig erklärt (§ 6 Abs 1 KSchG). Andere, weniger gröblich benachteiligende Bestimmungen sind nur dann unwirksam wenn der Unternehmer nicht beweist, dass sie „im Einzelnen ausgehandelt wurden“ (§ 6 Abs 2 KSchG). Beispielsweise sind, der gängigen Rechtssprechung nach, für den Verbraucher mißverständliche Formulierungen so zu werten, wie sie für den Verbraucher günstiger sind. Das KSchG enthält außerdem Bestimmungen zum Transparenzgebot (§ 6 Abs. 3 KSchG), nach dem unklare oder unverständliche Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sind. Damit bräuchte der Verbraucher gar keine besonderen Formulierungen in Werkverträgen. Oder umgekehrt: Vorsicht bei jedweden Vertragsbestimmungen, sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Verbraucher nachteilig sein.

UNTERNEHMER – Der Unternehmer aus dem Bau- und Handwerksbetrieb sieht sich mit unterschiedlichsten Vertragspartnern konfrontiert. Vom betrügerisch agierenden Bauträger oder den Bauträger der mit Anwalt und unzähligen Paragrafen ausschreibt, bis zum insolvenzgefährdeten Subunternehmer und schlussendlich auch den aus dem Internet mit Halbwissen verängstigten privaten Häuslbauer. Es ist nahezu unmöglich sich gegen alle Widrigkeiten abzusichern. Es bleibt die Empfehlung sich hier mit einem Fachanwalt und den entsprechenden Vertragsklauseln abzusichern. Zumindest 2 Vertragsschablonen sind sinnvoll:

–> AGB für den Werkvertrag mit einem Endverbraucher

–> AGB für den Werkvertrag mit einem Unternehmer

Man darf sich als seriöser Häuslbauer in Folge nicht wundern, dass so mancher Vertrag unangemessen erscheint. Im Prinzip wird man sich entweder die einzelnen Formulierungen erklären oder aus dem Vertrag streichen lassen können. Wer heute ordentlich kalkuliert, wird sich schon über ein paar % Gewinn freuen, Reserven für teure Streitigkeiten oder Rechnungsabzüge können in der Regel nicht verdient werden. Am Ende sollte man den Deal mit seinem Vertragspartner partnerschaftlich sehen, keiner soll übervorteilt werden, aber niemanden muss ein überbordendes Vertragswerk zugemutet werden.

Markus Cerny – Vereinsanwalt, Wien
Günther Nussbaum – Vereinsobmann

Einem sehr erfolgreichen und prominenten Unternehmer sagt man nach, dass er auch Millionendeals niemals mit Verträgen länger als 1 A4-Seite abgewickelt hat….