GEPRÜFTE BAUSTELLEN IM JAHR
     

Wien (OTS)Justizministerin Claudia Bandion-Ortner setzt für die Rettung ihres Amtes nicht viel weniger aufs Spiel als das höchste ihr anvertraute Gut: den Ruf der Gerichtsbarkeit.

Auf den ersten Blick schaut der Vorgang sehr beeindruckend aus. Die Justizministerin tritt vor die Presse, verliest ein knappes Kommuniqué, in dem sie ankündigt, mittels Weisung Schwung in einige stockende Großverfahren bringen zu wollen. Dreht sich um und verschwindet – ohne Fragen zuzulassen – hinter den Mauern des ehrwürdigen Palais Trautson.

Tags darauf werden quer durch Europa Büros durchsucht, innerhalb und außerhalb von Österreich Akten sichergestellt, dazu klicken in Wien bei einem seit zwei Jahren flüchtigen Neonazi-Kopf die Handschellen. Die Chefin greift durch, und die österreichische Justiz arbeitet wieder? Nein, denn auf den zweiten Blick könnte einem angst und bange werden. Die parteiintern schwer angezählte Claudia Bandion-Ortner versucht mit einer Verzweiflungsoffensive, ihren Kopf zu retten, und setzt dafür nicht viel weniger aufs Spiel als das höchste ihr anvertraute Gut: den Ruf der Gerichtsbarkeit.

In Österreich liegen derzeit sowohl das tatsächliche Funktionieren der Gerichtsbarkeit als auch ihr Ansehen im Argen: Schon bisher konnte man sich nach den vielen schleppend bearbeiteten Megacausen ohnehin nicht mehr des Eindrucks erwehren, die tatsächlichen Möglichkeiten Justitias vermögen längst nicht mehr, mit den Realitäten in der weiten Welt der Wirtschaftsverbrechen da draußen mitzuhalten.

Als Belege dafür können Verfahren von Libro bis Meinl, von Buwog bis zu den Eurofightern, vom aufgehobenen Bawag- Urteil bis zur Blamage der Staatsanwaltschaft rund um die Hypo Alpe Adria gelten. Nun verstärkt Bandion-Ortner diesen Eindruck noch auf verheerende Weise, indem sie öffentlich signalisiert: nicht einmal mehr die Ressortministerin, die immerhin selbst Richterin ist, glaubt an das Funktionieren des ihr unterstellten Apparates.

Manche würden nun wohl einwenden, wie es Bandion-Ortner auch mache, immer sei es verkehrt. Man müsste ihnen antworten: So ist es auch, schon seit ihrem verkorksten Amtsantritt vor zwei Jahren!

Das alles ist so wichtig, weil es den Rechtsstaat, von dem nicht nur in der Verfassung, sondern vor allem in Sonntagsansprachen gern die Rede ist, nämlich nicht gibt. Er ist immer nur so gut wie die Teile, aus denen er besteht. So unerlässlich das Funktionieren seiner Organe ist, so wichtig ist auch in der juristischen Theorie der Anschein der Unabhängigkeit, den diese Institution ausstrahlt. Fehlt der Bürgerin, dem Bürger das Vertrauen, zu ihrem Recht kommen zu können bzw. gerecht beurteilt zu werden, nützt auch der am besten ausgestattete Justizapparat nichts.

Viele Vorkommnisse der letzten Jahre haben dieses Vertrauen nachhaltig erschüttert.

Man denke etwa nur an die Verjährungsaffäre in der Causa Strasser, die Bestellung der Bawag-Richterin Bandion-Ortner zur Ministerin, obwohl das Verfahren nicht abgeschlossen war, oder den Umgang mit Verfahren, in denen Politiker involviert waren. Ebenso wie übrigens der Umstand, dass – wann immer über Justizpolitik debattiert wird – einige wenige (sicher bedeutende) Promi-Verfahren im Mittelpunkt stehen.

Dass nicht clamoröse Menschen, die eine verbindliche juristische Entscheidung suchen, von der nicht selten ihre Existenz abhängt, oft jahrelang warten müssen, wird viel zu selten thematisiert. Ebenso übrigens das Recht von (auch prominenten) Beschuldigten, nicht jahrelang als solche herumlaufen zu müssen, ohne tatsächlich jemals verurteilt worden zu sein.

Zur Ehrenrettung der Gerichte sei übrigens gesagt: Viele Verfahren funktionieren klaglos. Und es ist durchaus ein gutes Zeichen, dass nicht alle, die von der öffentlichen Meinung gern im Gefängnis gesehen werden möchten, auch tatsächlich dort landen (nicht jeder „Lump“ hat sich auch strafrechtlich etwas zuschulden kommen lassen). Als Entschuldigung für ungenügende Ermittlungsarbeiten, nicht zeitgemäß ausgebildetes Personal, wenig Effizienz, veraltete Strukturen und eine überforderte Ressortchefin kann das aber nicht gelten. Dazu ist es zu essenziell, dass der Rechtsstaat funktioniert. Auch auf den zweiten Blick. Autor: Florian Asamer

1 comments

  1. Kommentar der BHH-Redaktion: Während JM. Bandion-Ortner auf populistisch wirksame Art große Fälle vorantreiben möchte, liegt das Gerichtswesen bei den meisten Bauprozessen am Boden. RichterInnen welche sich mit der „lästigen“ Materie rund um Baukonflikte nicht auseinander setzen möchten, oder aus zeitlichen Gründen nicht können. Hunderte Baupfusch-Opfer kommen nicht zu ihrem Recht, verlieren in der finanziell angespannten Phase des Hausbaus die letzten finanziellen Reserven. Die schlechte Seite der Bauwirtschaft freut sich und ist sich dessen bewusst dass kaum ein Geschädigter den Weg zu Gericht wagt. Somit bleiben die Häuslbauer auf verpfuschten Bauleistungen sitzen oder verlieren diese viel Geld ohne Hoffnung auf Einbringung. Die Bauherrenhilfe fordert eigens für Bauprozesse geschulte RichterInnen und eine Personalaufstockung. Der volkswirtschaftliche Schaden durch „Pfusch am Bau“ ist größer als die anteiligen Kosten für mehr Richter. Der schlechte Ruf der Bauwirtschaft entsteht u.A. auch durch enttäuschte Bauherren und Baufrauen. Wer Recht hat und dennoch (s)einen Prozess verliert wir ewig schimpfen und wettern, umgekehrt ist der Schädige bestärkt in seiner Art schlechte Bauleistungen zu liefern.

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