Baustelleneinstellung – Insolvenz/Auftragnehmer!
Es kommt in der Baupraxis häufig vor, dass eine insolvenzgefährdete Firma ihre Arbeiten einstellt und die Fortsetzung ihrer Tätigkeit von weiteren Zahlungen abhängig macht!
Diese Vorgangsweise führt zu Überzahlungen, die im Falle der Insolvenz lediglich mit einer Minimalquote befriedigt werden. Sollte keine Zahlung erfolgen, treten unzumutbare Bauverzögerungen auf bzw. droht im Insolvenzfall die Geltendmachung der Forderung durch den Masseverwalter.
- Zu dem Spannungsverhältnis Baueinstellung durch den Auftragnehmer einerseits und der Fälligkeit weiterer Zahlungen andererseits hat der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 198/11f eine bemerkenswerte Entscheidung gefällt.
So ist gemäß dieser Entscheidung eine Arbeitseinstellung durch die ausführende Firma nur dann zulässig, wenn sie leistungsbereit war, wobei sich die Leistungsbereitschaft aus den Umständen des Einzelfalles ergeben müsse. Der Unternehmer müsse beweisen, dass er über die für die Herstellung des Werks erforderlichen Fähigkeiten, Mitteln, organisatorischen Möglichkeiten, Gehilfen und die erforderliche Zeit etc. verfügt hat. Hat der Unternehmer nicht die erforderlichen Kapazitäten, reiche die bloße Erklärung, leisten zu wollen, nicht aus.
Bei Unterbleiben der Werkausführung müssen der klagende Werkunternehmer bzw. der Masseverwalter sohin die Leistungsbereitschaft des Auftragnehmers sowie das Unterbleiben der Leistungen infolge von Umständen beweisen, die auf Seiten des Bestellers liegen (6 Ob 216/10y, 3 Ob 198/11f).
Der Zuweisung der Verantwortung wegen nicht erfolgter Zahlung kann der Einwand der nicht gehörigen Erfüllung eines Werkvertrages entgegen gehalten werden. Demnach ist der Werkbesteller nicht zahlungspflichtig, solange der Auftrag nicht zur Gänze erfüllt wurde. Dieser Einwand fällt jedoch weg, wenn z.B. weitere Arbeiten durch den Unternehmer untersagt werden. Dazu reicht es schon aus, wenn in der Korrespondenz eine Nachfrist gesetzt wird, verbunden mit dem Hinweis, dass nach deren Ablauf ein anderes Unternehmen mit der Fertigstellung bzw. Behebung beauftragt werde. Der Einwand mangelnder Fälligkeit steht auch dann nicht zu, wenn eine Unbehebbarkeit eines Mangels vorliegt oder wenn der Unternehmer insbesondere aufgrund einer Insolvenz nicht mehr in der Lage ist, das Gewerk fertig zu stellen. Die ausführende Firma bzw. der Masseverwalter können sich auch auf § 1170 ABGB oder auf eine Vertragsbestimmung berufen, die zur Fälligkeit von Vorauszahlungen führt. So hat der Unternehmer gemäß § 1170 ABGB das Recht, einen verhältnismäßigen Teil des Entgelts vorweg zu verlangen, wenn das Gewerk in gewissen Abschnitten errichtet wird.
- Diesem Einwand kann wiederum mit der „Unsicherheitseinrede“ des § 1052 entgegengehalten werden, wonach eine Zurückbehaltung des Werklohns wegen schlechter Vermögenslage des Auftragnehmers unter gewissen Voraussetzungen zulässig ist.
Ich denke, dass in derartigen Fällen der Baueinstellung weitere Zahlungen jedenfalls zurückzuhaten sind, da den Auftragnehmer die Beweispflicht seiner Leistungsfähigkeit trifft und eine Durchsetzung der Werklohnforderung durch den Auftragnehmer oder den Masseverwalter nur unter den oben erwähnten erschwerten Voraussetzungen möglich ist. Die damit häufig verbundene Bauverzögerung muss als „geringeres Übel“ hingenommen werden. Sollte eine Drittfirma mit der Fertigstellung beauftragt werden, ist jedenfalls eine Beweissicherung zu empfehlen, die den Fertigstellungsgrad zum Zeitpunkt der Baueinstellung dokumentarisch festhält. Dr. Berthold Garstenauer – Rechtsanwaltskanzlei in Salzburg
Bildquelle: http://www.dachgeschoss.at/
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