Die fortschreitende Digitalisierung fährt den österreichischen Architekten und Ingenieuren gehörig um die Ohren.
Im Vergleich zu skandinavischen Ländern wie Dänemark und Finnland oder den USA hinkt die Baubranche im deutschsprachigen Raum in der Entwicklung um zehn Jahre hinterher, warnt der Experte für Projektmanagement von Bau- und Infrastrukturprojekten, Wilhelm Reismann.
„Die heimische Baubranche muss stärker auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren, um international wettbewerbsfähig zu bleiben“, betonte der Bauingenieur heute, Dienstag, bei einem Pressegespräch. Immerhin sind in Österreich allein im Sektor Bauproduktion rund 246.000 Mitarbeiter beschäftigt, das sind mehr als 7 Prozent aller unselbstständig Beschäftigten.
„Nur die ganz Großen der Branche wie etwa die Strabag und die Porr beschäftigen sich bereits intensiv mit der Thematik“, berichtete Reismann. Die digitale Vernetzung von Prozessen – von der Planung über die Errichtung bis hin zum Betreiben eines Gebäudes – sorgt für einen Umbruch in der Branche, birgt aber auch Chancen wie etwa Kosteneinsparungen bei Großprojekten. Denn mit digitaler Unterstützung soll das Zeit- und Budgetmanagement optimiert werden und die Branche international wettbewerbsfähig bleiben.
Um auch Klein- und Mittelbetrieben sowie Fachhochschulen und Universitäten auf die Sprünge zu helfen, wurde nun die offene Plattform „Planen.Bauen.Betreiben 4.0 – Arbeit.Wirtschaft.Export“ ins Leben gerufen. In Österreich bereits laufende Initiativen zum Thema Digitalisierung sollen hier zusammengeführt und harmonisiert werden. Arbeitskreise zur digitalen Vernetzung der Branche sind beim Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein (ÖIAV) bereits seit einem Jahr tätig. Auch öffentliche Stellen wie etwa Ministerien und Gebietskörperschaften sowie Forschung & Lehre und Auftraggeber sollen eingebunden werden.
Als nächstes findet am 9. Mai eine Enquete mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik sowie des Bauwesens, der Bauwirtschaft und der Bauindustrie im ÖIAV in Wien statt. Dort wird ein reger Erfahrungsaustausch über die Digitalisierung und Globalisierung im Bauwesen stattfinden. Dabei sollen Vorschläge zur besseren und effizienteren Zusammenarbeit angestoßen werden. Neben einer Reihe von Veranstaltungen strebt die Plattform künftig auch verstärkt interdisziplinäre Musterprojekte – etwa im Rahmen der Hochschulausbildung – an.
„Die Bauwirtschaft ist weitgehend nicht digitalisiert“, umriss Reismann die derzeitige Lage in Österreich. Dabei werde sich das Bauen „in den nächsten zehn Jahren grundlegend ändern“.
Architekten, Bauingenieure und Betreiber kommen laut ÖIAV, österreichischer bautechnik vereinigung (öbv) und Facility Management Austria (FMA) an der zunehmenden Digitalisierung und Globalisierung der Arbeitsprozesse aber künftig nicht vorbei. „Wir haben einen starken Aufholbedarf“, räumte auch der Präsident der International Facility Management Association (IFMA) Austria, Alfred Waschl.
Computer sollen beim ausufernden Datenmanagement helfen. Durch Building Information Management (BIM) werde auch kostengünstigeres Bauen möglich und Projekte könnten punktgenauer budgetiert werden.
Das Sterben kleinerer Architekturbüros infolge der Digitalisierung sei jedenfalls nicht zu erwarten, so die Einschätzung Reismanns. „Das ist auch in Dänemark und Norwegen nicht passiert.“ Gewisse Arbeiten und damit auch Arbeitsplätze würden wegfallen, neue Tätigkeitsfelder und damit auch Jobs dafür aber hinzukommen. Dank Digitalisierung können ganz andere Aufträge hereingenommen werden als bisher. Kleine österreichische Büros können sich – wie schon bisher, aber künftig eben digitalisiert – international als Nischenplayer positionieren.
„Wir hatten anno dazumal auch Angst, als vom Zeichnen mit Tusche auf CAD (computer-aided design bzw. computerunterstütztes Konstruieren, Anm.) umgestellt wurde“, erinnerte sich Reismann, der auch Initiator der nun ins Leben gerufenen Digitalisierungsplattform ist. Und letztlich sei es kein Drama gewesen. Man müsse nur gewappnet sein. „Ich glaube, dass die Österreicher dazu fähig sind.“ (APA)
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