GEPRÜFTE BAUSTELLEN IM JAHR
     

Ringanker vs. Ringbalken vs. Ignoranz!

Jede Menge Risse – Mauerwerk oben abschließen, so oder so …Holz ist in der Lage, Kräfte aus Zug und Biegebeanspruchungen aufzunehmen. Mauerwerk kann Zugbeanspruchungen nur begrenzt, rechnerisch bzw. baupraktisch gar nicht aufnehmen. Wie der Deckel auf dem Pappbecher steift auch erst der Ringanker oder Ringbalken das Mauerwerk aus. Auf das Mauerwerk einwirkende Horizontallasten, wie z. B. aus Windeinwirkung, Erddruck, Wasseranstau oder durch den Dachschub beim Sparrendach, können zu Rissen, aber auch zur Einsturzgefahr führen. Auch der Rückstellzwang vorgespannter Bauteile wirkt horizontal auf das Mauerwerk bzw. die Wandscheibe. Die obere Aussteifung erfolgt in der Regel über die Deckenkonstruktion. Ein Teil der Horizontallasten wird über die Reibung zwischen Wänden und Decke in die Querwänden, und damit in die Fundamente geleitet. Eine Ortbetondecke oder auch ein bspw. „steifer“ Kehlbalkendachstuhl bringt diese Scheibenwirkung konstruktiv mit sich.

  • Wenn man Ringbalken braucht

Einhängedecken ohne Aufbeton oder Sparrendachkonstruktionen sind nur mit Hilfe eines Zugankers in der Lage, Horizontallasten zu übernehmen. Der Ringanker wird in der Regel umlaufend angeordnet und ertüchtigt die Deckenkonstruktion zur Scheibe. Er kann nur Zuglasten aufnehmen, für eine Biegebeanspruchung muss ein Ringbalken angeordnet werden. Ringbalken sind etwas größer dimensioniert und der Betonquerschnitt des Ringbalkens ist aus statischen Gründen größer als beim Ringanker, der meist nur zwei Bewehrungsstäbe aufnehmen muss. Der Ringbalken muss jedoch zur Aufnahme von Biegemomenten und Druckkräften mit mindestens vier Stäben sowie Bügeln bewehrt werden. Ringbalken werden dann erforderlich, wenn sie die seitliche Halterung von Wänden sicherstellen müssen, beispielsweise bei Holzbalkendecken. Aber auch wenn die Gefahr besteht, dass sich Gebäudeteile unterschiedlich bewegen können, z. B. bei Giebelwänden und Auflagern von Dachpfetten. Zur Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden werden die zugehörigen Verformungseigenschaften benötigt. Aufgrund unterschiedlicher Last-, Feuchte- und Temperatureigenschaften kann es beim Mauerwerk zu unerwünschten Rissen infolge Zwangsbeanspruchung kommen. Auch wenn die Standsicherheit des Gebäudes nicht gefährdet ist, werden die Gebrauchstauglichkeit und das optische Erscheinungsbild zu Haftungsfragen führen.

  • Immer mehr Mauerwerksschäden

Risse im Mauerwerk sind aber besonders bei Ausführung von Stahlbetongurten durch das Schwinden des Betons keine Seltenheit. Während das Endschwindmaß von Ziegelmauerwerk baupraktisch bei null liegt, ist bei Ortbetonbauteilen viel in Bewegung. Hier lassen sich Risse durch Verwendung von U-Schalen einfach vermeiden. Da bleibt der Beton länger geschützt, Temperaturunterschiede werden reduziert und ein früher Wasserentzug wird verhindert. Alle Ziegelhersteller haben sogar gedämmte U-Schalen im Programm! Auffällig ist, dass Mauerwerksschä- den dennoch zunehmen. Praktisch jede Woche bekomme ich Mauerwerk ohne oberen Ringanker oder Ringbalken zu sehen. Während derartige Baumängel früher eher selten waren, nehmen Mauerwerksschäden mit der zunehmenden Bautätigkeit osteuropäischer Firmen zu. Die Qualifizierung heimischer Baumeister und Bauingenieure ist in der Regel wesentlich höher, Baupfusch selten. Scheinbar hat sich durch Gewerbeliberalisierung und die Öffnung der Grenzen hier einiges verändert.

Tipps und Tricks zur Rissevermeidung

  • Zuerst gilt es Aufklärungsarbeit zu leisten: Begrenzung der Deckendurchbiegung auf 1 /500
  • Späte Mauerwerkserrichtung und damit Betonverformung abwarten
  • Verringerung der Deckendurchbiegung durch spätes Ausschalen
  • Verringerung der Filigrandeckendurchbiegung durch spätes Entfernen der Stützen
  • Innenputz so spät wie möglich anbringen
  • Ringanker und Ringbalken mit U-Schalen betonieren
  • Statt Stahlbetongurt bewehrtes Mauerwerk ausführen
  • Möglichst gleichartige Bauteile für Wände, Decken und das Dach verwenden

Ringanker sind normativ auszuführen

a) bei Bauten, die mehr als zwei Vollgeschosse haben oder länger als 18 m sind,
b) bei Wänden mit vielen oder besonders großen Öffnungen, besonders dann, wenn die Summe der Öffnungsbreiten 60 % der Wandlänge oder bei Fensterbreiten von mehr als 2 /3 der Geschosshöhe 40 % der Wandlänge übersteigt,
c) wenn die Baugrundverhältnisse es erfordern bzw. bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen.

Kurz gesagt bzw. geschrieben: Oben einen Deckel auf das Mauerwerk! Bei Verwendung von U-Schalen als Deckelung kann besonders unter Holzkonstruktionen das Risiko von Kondensationsschäden bei Hochlochziegeln, quasi als Draufgabe, verringert werden.

Autor: Bausachverständiger Günther Nussbaum
Artikel wurde im Fachmagazin –
SOLID NR. 02 | Februar 2013 veröffentlicht, Link zur Ursprungsquelle des Artikels