GEPRÜFTE BAUSTELLEN IM JAHR
     

Heute 18:05 – 19:15 war ein selbsternannter Schimmel-Gutachter im TV zu sehen. Beworben und mit Interesse erwartet: „Doku-Soap, D 2010 Laufzeit: 70 Minuten Mike Hahn ist auf der Jagd nach Schimmelpilzen. Mieter Andreas Keiler hat den Gutachter gerufen, weil sich der Schimmel immer weiter in seiner Wohnung ausbreitet.“ Mein Mentor ist auch ein deutscher Sachverständiger, unter Dipl.Ing. Architekt Heinlein habe ich zu meiner Bausachverständigenprüfung gelernt, aus Prof. Oswalds Artikeln (Vater, aber auch Sohn, beides Deutsche) kann ich zitieren. Doch was heute im deutschen Kabel 1 gelaufen ist hat schockiert, Deutschlands Sachverständigenwesen am Tiefpunkt….

Sachverständiger, Sanierungsplaner, Gutachter für Feuchte- und Schimmelpilzschäden

Ein guter Sachverständiger muss nicht unbedingt „gerichtlich zertifiziert“ sein, es gibt auch abseits der zahlreichen Sachverständigen-Verbände durchaus gute Leute. Und umgekehrt gibt es auch bei den „allgemein beeideten“ und „Verbandssachverständigen“ mehr Unwissende als man glauben mag. Diese Ernüchterung bietet sich aber bei genauerem Hinsehen auch bei der Berufsgruppe der Ärzte, KFZ-Mechaniker, und bei den Politikern gibt es den Nimbus der Unfehlbarkeit erst gar nicht. Dennoch sollte differenziert werden ob ein Sachverständiger hinter 4 Wänden „schlechtachtet“ oder ob er es vor großem Publikum tut. Wie Kollege Hahn mit seiner „missinterpretierbaren“ Falldarstellung.

Unterschätzter Schimmelpilz

Ein Fall von Vielen, eine Wohnung, dramatisch von Schimmelpilzen befallen. Liegt ein Baumangel (Wärmebrücke), ein Rohrgebrechen oder ein sonstiger Bauschaden vor? Oder ist es wie so oft das unterschätzte Thema „Richtig Lüften und Heizen, sowie Fehler in der Innenausstattung“ ? Kollege Hahn ( Gutachten-Hahn.net ) beeindruckt mit einem vermutlich 150-Euro Billig-Feuchtemessgerät und spricht von „nasser Wand“, obgleich das „Messergebnis“ nur das Oberflächenkondensat wiedergibt. Aber dazu würde ein Taschentuch auch reichen. Die betroffene Wohnung liegt vermutlich im 2.Stock, kapillar aufsteigende Feuchte vom Keller-Erdboden ist damit auszuschließen, die Außenwand sieht sich Gutachter Hahn nicht an, es liegen aber augenscheinlich keine „Undichtheiten“ vor. Hier kombiniert er richtig: Es liegt Oberflächenkondensat vor! Er mißt auch die relative Luftfeuchte, setzt diese nur nicht in Relation zur Außenluft. Bemerkt aber lapidar dass 68% rel.LF. „hoch seien“. Er übergeht auch die vom Mieter gezeigten Umstände dass Tauwasser überall an den Fenstern vorliegt, sogar an den Beschlägen. Kommt aber trotzdem zu dem Schluss dass die Mauer irgendwie nass sein muss, und dass ein Baufehler vorliegen müsse. Gutachter Hahn muntert die Mieter noch auf und gibt bekannt das er Sanierungsvorschläge mit dem Hausverwalter besprechen werde! Dass hier der Mieter den massiven Schimmelpilzbefall zu verantworten hat kommt nicht zur Sprache. Man möchte ja bei seinem Auftraggeber keinen schlechten Ton anschlagen. Nur was nutzt es wenn man Schäden angibt die es nicht gibt??? Was kann eine vermeintlich feuchte Wand dafür dass die Fenster und die Beschläge „schwitzen“ ??

Sammlung der Merkwürdigkeiten

  • Aussagen des Gutachter Hahns: Auf die Frage vom Mieter wieviele Schimmelpilzarten es gibt: „10.000 Arten“ Tatsächlich werden 250.000 Arten vermutet, rund 100.000 sollen bereits erfasst sein.
  • „Die Farbe des Schimmelpilzes hängt davon ab was er als „Nahrung“ bekommt“. Tatsächlich ist die dunkle Farbe bei vielen Arten feststellbar, damit schützt sich der Pilz vor dem Sonnenlicht. Weiters hängt die Farbgebung von der Pilzart ab, und zu Letzt von der Nahrung ab.
  • Als Ursache für den Pilzbefall werden „bautechnische Schwachstellen“ und ungünstige Materialkombinationen angegeben. Das ist teilweise richtig, die schmale Ecke wirkt sich ungünstig aus, geometrische Wärmebrücken führen zur Abkühlung. Aber noch wichtiger wäre es in diesem Eckbereich – darauf wird nicht eingegangen- keine Regale einzubauen. Da diese die Warmluft zusätzlich von dem Eck fernhalten. (Unterkühlung unter die Taupunkttemperatur)
  • Der Mieter spricht ständig von Baupfusch und davon dass er „ja nicht immer die Heizung laufen lassen kann“. Ein Widerspruch vom Gutachter erfolgt nicht. Obgleich die Bauteile natürlich nur vom Mieter oder Wohnungsnutzer „auf Temperatur gehalten“ werden können. Was sind 100 Euro höhere Heizkosten gegen derartigen Schimmelbefall?
  • Das Schlimmste: Es wird nur ein Raum als „nicht mehr nutzbar“ angegeben. Tatsächlich liegen quadratmeterweise Schimmelpilzbefall vor. Die Wohnung muss sofort saniert werden, eine Nutzung ist sofort zu untersagen. Schon aus Vorsichtsgründen, wenn einer der Mieter nach der Gutachter-Begehung mit einem Allergieschock umfällt wird es wohl Haftungsfragen zu klären geben.

Statt mit einem Billig-Feuchtemessgerät Mieter zu beeindrucken müßte die Hausverwaltung/ die Hausinhabung dazu gebracht werden SOFORT DEN SCHIMMEL zu entfernen. Oder eben die Wohnung zu räumen. Monatelange Streitigkeiten zur Ursache sind grob fahrlässig und gefährlich! Eine Wärmebildkamera in Verbindung mit einem Datenlogger zur Raumklimamessung hätte hier schon lange zuvor Klarheit bringen müssen. Der Mieter muss entsprechend -durchgehend- heizen (bei kalten Außentemperaturen) und für entsprechenden Luftwechsel sorgen. Ein Grenzfall sind die Regale im schmalen Kücheneck, hier ist der Vermieter gut beraten dem Mietvertrag eine Nutzungsempfehlung (Kasten usw. nicht an die Wand stellen) beizulegen. Diese TV-Begehung empfinde ich als Farce und weitere Verunsicherung aller Beteiligten. Unten ein Exkurs zu Feuchtemess-Methoden:

Därr-Wäge-Methode – Feuchte-Messverfahren

Es gibt mehr als 10 verschiedene Feuchtemessmethoden. Alle müssen sich an der Därr-Wäge-Methode messen. In einem Ofen wird die aus der Wand entnommene Probe getrocknet, vorher-nachher gemessen. Die Gewichtsdifferenz entspricht der enthaltenen Wassermenge.  Um Rückschlüsse auf die Feuchte-Sättigung zu erhalten muss die getrocknete Probe wieder in ein Wasserbad getaucht werden. Nach der Sättigung wird wieder gemessen. Dies zeigt wie kompliziert eine „gerichtsverwendbare“ Feuchtemessung sein kann.

Nach Därr die CM-Messung, dann geht es bergab

Daraus ergibt sich auch der Druck der Gerätehersteller Messgeräte zu entwickeln die einfacher zu handhaben sind. Die CM-Messung gehört noch zu den zerstörenden Messungen, ist zwar sehr genau, aber Messfehler sind keinesfalls auszuschließen. (Messungen in „CM“ weisen geringere Wassergehalte auf als in „Därr“…)

Mikrowellenmessung und Neutronensonde

Die Mikrowellenmessung gehört eigentlich auch zu den kapazitiven Streufeldmessungen, nur findet diese in einer höheren Frequenz statt. (Kosten 3-5 Tausend Euro) Der Vorteil: Die Messung bleibt unbeeindruckt vom Salzgehalt des zu messenden Baustoffes. Nachteil: Wie beim Billiggerät führen inhomogene Baustoffe, sowie im Mauerwerk vorhandene Metalle zu Fehlmessungen. Die Neutronensonde ist noch teurer, arbeitet im radioaktiven Bereich und ist damit vor allem bei der Leckortung auf Flachdächern eingesetzt.

Elektrische Leitfähigkeitsmessung – Widerstandsmessung

Ähnlich wie vor beschrieben wird hier die elektrische Leitfähigkeit des Wassers ausgenutzt und der Wassergehalt gemessen. Dazu werden zwei Elektroden in das Bauteil eingeführt oder aufgesetzt. Das Messergebnis wird in geringerem Umfang durch Temperatur beeinflusst und ist etwas genauer aber genauso durch erhöhten Salzgehalt beeinflussbar. Aufgrund dessen sind auch hier nur Nass-Trocken-Aussagen möglich. Ausgenommen bei Holzmessungen, hier sind gute Bezugswerte bekannt und Messungen sehr genau möglich.

Streufeldverfahren – Kapazitive Feuchtemessung (Dielektrizitätsmessung)

Hier wird eine Elektrode auf den Baustoff aufgesetzt, eine Wechsel-Niederspannung erzeugt ein elektrisches Feld das je nach Dichte das Bauteil mehr oder weniger durchdringt. Wasser beeinflusst das elektrische Feld, und sind Feldänderungen daher ein Maß für den UNGEFÄHREN Wassergehalt.  Metall im Untergrund sowie sogar unterschiedliche Dichten im vermeintlich homogenen Mauerwerk (Fugen, Hohlstellen), verfälschen die Meßergebnisse. Auch wenn der Sondenkopf nicht exakt im rechten Winkel aufgesetzt wird werden falsche Ergebnisse geliefert. Das hat Kollege Hahn im TV gezeigt, damit die ohnehin geschockten Mieter negativ beeindruckt. Auch der Messfehler welcher sich aus Messungen in Eckbereichen ergibt – Massekonzentration liefert vermeintlich höhere Feuchtewerte- wurde vorgeführt. Die kapazitive Messung ist eine Vergleichsmessung, sie hat sich für schnelle Messungen bewährt um Feuchteprobleme schnell mal zu qualifizieren. Quantitative Ergebnisse lassen sich damit nicht liefern.

Gleichgewichts- oder Ausgleichsfeuchtemessung

Die den Baustoff umgebende Luft gleicht sich mit der Zeit mit dem Feuchtegehalt des Baustoffes aus, damit sind recht genaue Rückschlüsse auf den Feuchtegehalt möglich. ( Sorptionsisotherme ) Vorzugsweise bei inhomogenen Konstruktionen um eine gesamte Durchfeuchtung festzustellen. Beispielsweise Dachkonstruktion oder Fugenmessung im Estrichrand. Wobei aber ein geschlossener Hohlraum gebildet werden muss. Das heißt rund um die Messsonde muss abgedichtet und gut 30Minuten gewartet werden.

LINK:

Testo liefert als einer der wenigen Hersteller ehrliche Angaben zu den verschiedenen Messmethoden. Dieser ist daher erste Wahl für den Gutachter und den Geräteankauf

1 comments

  1. das habe ich auch gesehen, einen starken eindruck hat der gutachter wirklich nicht gemacht. aber sonst kennt man sich selber ja nicht aus. mich hat das auch gewundert, als ursache wurden falsche baustoffe angegeben. aber schimmel braucht ja wasser, und das kommt ja sicher nicht aus der wand. finde das gut das sich jemand kritisch schreiben getraut!

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