Blowerdoormessung und n50-Luftwechselzahl!
Wärmestau – Vor allem bei Renovierungen kann eine Änderung der Luftdichtheit böse Folgen haben.
Die baurechtlichen Vorgaben zum Wärmedurchgang an der Gebäudehülle werden ständig strenger. Wände, Decken, Dächer, Türen und Fenster lassen immer weniger Wärme durch. Das ist beim Neubau absolut sinnvoll – nicht nur wegen der Energieeinsparung, sondern auch zur Verbesserung der Behaglichkeit und Hygiene in Aufenthaltsräumen.
Bei Sanierungen oder Renovierungen im Gebäudealtbestand wird es ungleich schwieriger. Da heißt es in der OIB-Richtlinie 6 aus 2011 sinngemäß und etwas unglücklich:
Bei größerer Renovierung darf der jährliche Heizwärmebedarf pro m2 konditionierter (beheizter) Brutto-Grundfläche, in Bezug auf die Geometrie und das Referenzklima, höchstens 87,50 kWh/m2a betragen. Im Detail werden sogar Vorgaben zu U-Werten einzelner Bauteile angeführt („Beim Neubau oder Renovierung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles sowie bei der Erneuerung eines Bauteiles dürfen bei konditionierten Räumen folgende Wärmedurchgangskoeffizienten nicht überschritten werden …“).
Was ist das eigentlich: Renovierung?
Der Begriff „Erneuerung“ ist recht klar: Wenn ein neues Fenster eingebaut wird, hat dieses den aktuellen Bestimmungen zum Wärmeschutz zu entsprechen. Was aber als Renovierung zu verstehen ist, bleibt oft offen. In der Fassung aus 2007 wurde noch die Definition „bei umfassender Sanierung“ verwendet. Wenn beispielsweise eine altbestehende Terrasse wegen einer Undichtheit saniert wird, muss schon ein U-Wert von 0,20 eingehalten werden. Bei einer üblichen Konstruktion mit 8-cm-EPS-Dämmplatten im Bestand ist mit einem U-Wert von 0,43 zu rechnen.
Um die aktuellen Vorgaben zu erfüllen, sind so rechnerisch in etwa 11 cm zusätzliche Dämmung nötig. Dieser Platz ist jedoch bei Türen und Randeinfassungen oft nicht vorhanden. Es müssten Hochleistungsdämmstoffe (Vakuumdämmung …) eingesetzt oder Türen höher gesetzt werden. Die Diskussion der Angemessenheit dieser Maßnahmen sorgt oft für Zündstoff. Ähnliches gilt für Dämmmaßnahmen bei beispielsweise Gründerzeithäusern. Hier wären klarere Ausnahmeregelungen wünschenswert.
- Die beste Dämmung ist oft „daneben“
Die blinde Dämmwut bringt uns speziell im Gebäudealtbestand oft in Teufels Küche. Denn auf der anderen Seite stehen die Lüftungswärmeverluste! Direkt angrenzend an dicke Hüllflächen geht Wärme vor allem durch Leckagen und eine unkontrollierte Fensterlüftung verloren. Hier tut sich aber kaum etwas. Die Vorgaben zur Luftdichtheit sind seit Jahrzehnten nahezu gleich.
In der OIB-Richtlinie 6 aus 2011 heißt es: „Beim Neubau muss die Gebäudehülle luft- und winddicht ausgeführt sein, wobei die Luftwechselrate n50 – gemessen bei 50 Pascal Druckdifferenz zwischen innen und außen, gemittelt über Unter- und Überdruck und bei geschlossenen Ab- und Zuluftöffnungen (Verfahren A) – den Wert 3 (bei mechanischer Lüftung 1,5) pro Stunde nicht überschreiten darf.“
Vor rund 10 Jahren neu hinzugekommen ist die sinnvolle Anforderung zur „Winddichtheit“ der Gebäudehülle. Schließlich nützt die beste Dämmung wenig, wenn diese vom Wind unterkühlt wird. Der steinzeitliche Wert von 3,0 Luftwechsel pro Stunde setzt hier die falschen Signale. Ein einigermaßen gut gebautes Gebäude kommt bei einer Differenzdruckmessung nach EN 13829 locker auf einen Wert unter 1,0. Die zulässigen 3,0 ergeben bei einem Raumvolumen von 300 m3 immerhin einen zulässigen Leckagevolumenstrom von 300 x 3, also 900 m3 pro Stunde.
- Normen helfen nichts
Es dürfen also bei Windstärke 5 nach Beaufort frische 900 m3 /h1 durch Ritzen, Löcher, Türen und Fenster verschwinden?
Mitnichten! Hier ist unbedingt zwischen bauschädlichen und zulässigen Leckagen zu unterscheiden! Fensterleckagen werden sich in der Regel nicht schädlich auswirken. Pfeift es aber durch die Wandkonstruktion, ist schon sehr genau zu prüfen. Bei Elektroinstallationen und der Dachkonstruktion gilt de facto „Nulltoleranz“.
Laut EN 13829 aus 2001 (Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden – Differenzdruckverfahren) heißt es dazu: „Ungefähr bei der höchsten für die Messung vorgesehenen Druckdifferenz ist die gesamte Gebäudehülle auf große Leckagen und fehlerhafte provisorische Abdichtungen zu untersuchen. Wenn solche Leckagen gefunden werden, sind sie genau zu protokollieren.“ Leider vergessen Luftdichtheitsprüfer im Auftrag des Gebäudeerrichters oftmals auf diese „Feinheit“. Es wird nur auf Einhaltung der Luftwechselzahl geprüft. Bauschädliche Leckagen werden zu oft nicht erfasst. Das kann Haftungsfolgen für alle Beteiligten nach sich ziehen. Die Zahl 3.0 ist daher kein Zeichen einer guten Gebäudehülle, eher im Gegenteil. Werte weit unter 1.0 sind bei guter Bauführung leicht erreichbar!
Autor: Bausachverständiger Günther Nussbaum
Artikel wurde im Fachmagazin – SOLID NR. 6| JUNI 2014 – veröffentlicht, Link zur Ursprungsquelle des Artikels